StaRUG, das neue Insolvenzrecht, Restrukturierung – aktuell wird viel gesprochen und geschrieben über das neue Gesetz zur Fortführung des Sanierungs- und Insolvenzrechts und der Schaffung eines außergerichtlichen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens – kurz: StaRUG. Um hier ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, hat Eva Sartorius, Mitglied der Geschäftsleitung der A.B.S. Global Factoring AG, Rechtsanwältin Nadja Raiß, Kanzlei K+L Gates Frankfurt a.M., zum Interview eingeladen, um die drängendsten Fragen rund um das StaRUG zu verstehen. Die wichtigsten Fakten zum StaRUG haben wir hier für Sie zusammengestellt:
Der Deutsche Bundestag hat in seiner letzten Sitzung in 2020 das sogenannte Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts – kurz SanInsFoG – beschlossen, das bereits ab dem 1. Januar 2021 geltendes Recht ist. Das Gesetz geht unter anderem auf eine EU-Richtlinie zurück, die allen Mitgliedsstaaten vorgibt, außerinsolvenzliche Restrukturierungen zu ermöglichen. Die erwarteten wirtschaftlichen Verwerfungen in Folge der Covid-19 Pandemie haben den deutschen Gesetzgeber jedoch veranlasst, dieses Gesetzgebungsvorhaben vorzuziehen und zudem weitere umfangreiche Abbmilderungen für die wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns für Unternehmen geschaffen.
Die Regelungen des SanInsFoG lassen sich im Großen und Ganzen in drei Bereiche unterteilen: Kernstück ist das Gesetz über den Stabilisierung- und Restrukturierungsrahmen StaRUG. Die Änderungen der Insolvenzordnung sind zum Teil erheblich und die speziellen Erleichterungen, die an die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie anknüpfen, sollen deren wirtschaftliche Folgen abmildern.
Mit dem StaRUG hat der deutsche Gesetzgeber Neuland betreten. Ein Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG ist kein Insolvenzverfahren und es sind nur in einem überschaubaren Maße gerichtliche Entscheidungen notwendig.
Das deutsche Restrukturierungsrecht wird durch diese neuen Regelungen sehr flexibel und angepasst. Es soll bezogen auf den jeweiligen Einzelfall eine Restrukturierung ermöglichen. Letztlich können die neuen Regelungen, kombiniert mit den ohnehin bestehenden Möglichkeiten der deutschen Insolvenzordnung, wie ein modularer Baukasten benutzt werden, um die bestmögliche Sanierung eines Unternehmens zu erreichen. Das ist das Ziel des STaRUG.
Die Grundvoraussetzung für die Anwendung des StaRUG ist die drohende Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens. Nach der neuen Definition des Gesetzgebers besteht die drohende Zahlungsunfähigkeit dann, wenn ein Unternehmen für die kommenden 24 Monate nicht überwiegend wahrscheinlich zahlungsfähig sein wird. Dies wird für viele Unternehmen, die eine Krise durchlaufen, zu bejahen sein. Ausgeschlossen sind die Regelungen zu einer außergerichtlichen Sanierung jedoch dann, wenn ein Unternehmen überschuldet, also für weniger als zwölf Monate zahlungsfähig sein wird oder bereits zahlungsunfähig ist. Letzterenfalls steht diesen Unternehmen jedoch die Möglichkeit offen, sich über ein Insolvenzverfahren, möglicherweise in Form der Eigenverwaltung, zu sanieren.
Kernstück der neuen Regelungen ist der Restrukturierungsplan. Der Restrukturierungsplan wird von dem Unternehmen aufgestellt und durch ihn erfolgen die Eingriffe in die Verbindlichkeiten des Unternehmens. So sind z.B. ein Neukredit, ein Forderungsverzicht, die Verlängerung von Kreditlaufzeiten, Zinsanpassungen und vieles mehr denkbar. Ziel des Restrukturierungsplan ist der Erhalt des Unternehmens und eine angemessene Behandlung der Gläubigerforderungen. Mit dem Restrukturierungsplan kann auch in Sicherungsrechte der Gläubiger, ja selbst in die Sicherungsrechte verbundener Unternehmen eingegriffen werden. Restrukturierungsforderungen können auch, allerdings nur mit der Zustimmung der Forderungsinhaber, in Eigenkapital des Unternehmens umgewandelt werden. Das Unternehmen, das den Restrukturierungsplan aufstellt, muss nicht in alle Gläubigerforderungen eingreifen, sondern kann nach sachgerechten Kriterien aussuchen, welche Forderungen von dem Restrukturierungsplan betroffen sein sollen.
Eingriffe in die Rechte der Arbeitnehmer sind ausgeschlossen. Sollte es im Rahmen der Sanierung bspw. zu einem Arbeitsplatzabbau kommen, dann muss das Unternehmen einen solchen Abbau aus dem bestehenden Vermögen bezahlen oder sich für eine Sanierung durch ein Insolvenzverfahren entscheiden. Ursprünglich war im Gesetzesentwurf auch vorgesehen, dass das Unternehmen das Recht hat, sich von laufenden Verträgen (bspw. Mietverträgen) zu lösen. Diese weitergehenden Möglichkeiten sind jedoch vom Gesetzgeber nicht übernommen worden.
Über den Restrukturierungsplan stimmen auch weiterhin die betroffenen Gläubiger ab, sodass die Interessen ausreichend vertreten sein dürften. Dabei hat das Unternehmen allerdings die Möglichkeit, die Gläubiger in Gruppen einzuteilen. Das Stimmrecht richtet sich nach der Forderungshöhe. Ein Restrukturierungsplan ist dann angenommen, wenn in jeder Gruppe drei Viertel der Gläubiger zustimmen. Sollte ein Restrukturierungsplan nicht die notwendige Mehrheit in einer Gruppe finden, kann deren Zustimmung dann ersetzt werden (Cram Down), wenn eine Mehrheit der anderen Gruppen dem Plan zustimmt und die ablehnende Gruppe nicht schlechter gestellt wird (Best Interest Test). Die Möglichkeit, die Gläubiger in Gruppen einzuteilen, kann daher von entscheidender Bedeutung sein.
Neu ist die Regelung, dass eine unterschiedliche Behandlung in den einzelnen Gruppen dann gerechtfertigt sein kann, wenn dies aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens erfolgt, die nicht anders gelöst werden können. Diese Durchbrechung des Grundsatzes der „absoluten Priorität“ (Absolute Priority Rule) ist ein echter Paradigmenwechsel im deutschen Recht und findet sich nunmehr in abgeschwächter Form auch bei den Regelungen zum Insolvenzplan. Mit dieser Neuerung wird deutlich, dass das Unternehmensinteresse unter bestimmten Umständen dem Gläubigerinteresse vorgehen kann.
Das StaRUG ist ein außergerichtliches Verfahren. Daher wird auch kein Insolvenzverwalter eingesetzt. In welchem Umfang ein Gericht in dieses Verfahren eingebunden wird, bestimmt das Unternehmen. Es ist durchaus möglich, dass ein Unternehmen sich mit seinen Gläubigern im Rahmen eines Restrukturierungsplan einigt und ein Gericht für die Bestätigung des Restrukturierungsplans nicht eingeschaltet werden muss. Das ist der Fall, wenn sich alle Beteiligten an diese Regelung gebunden fühlen.
Möglich ist es aber auch, dass der Restrukturierungsplan aufgestellt, über ihn abgestimmt und er auf Antrag des Unternehmens durch das Gericht bestätigt wird. In diesem Fall prüft das Gericht nicht den Restrukturierungsplan selbst, sondern prüft nur, ob die Voraussetzungen für ein StaRUG-Verfahren eingehalten worden sind.
Es ist aber auch möglich, dass das StaRUG-Verfahren, vergleichbar mit den Regelungen eines Insolvenzverfahrens, mit einer stärkeren Einbindung des Gerichtes und der Bestimmung eines Restrukturierungsbeauftragten einhergeht. Eine solche förmlichere Organisation eines StaRUG-Verfahrens empfiehlt sich vor allem dann, wenn weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Sanierung von dem Gericht angeordnet werden sollen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Gericht Stabilisierungsanordnungen für die Dauer von bis zu drei Monaten erlässt, die dem Unternehmen die Ruhe gewähren, die es für die Durchführung des StaRUG-Verfahrens benötigt: So können Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagt oder eingestellt werden oder können den Gläubigern, die über Ab- und Aussonderungsrechte verfügen, die Verwertung der gesicherten Gegenstände untersagt werden. Während der Laufzeit der Stabilisierungsanordnungen können die Gläubiger zudem keinen Insolvenzantrag stellen.
Ist eine gerichtliche Planabstimmung gewünscht, so erfolgt die Abstimmung über den Restrukturierungsplan in einem Erörterungs- und Abstimmungstermin. Auf Antrag des Unternehmens kann das Gericht auch eine Vorprüfung des Planes vornehmen und es können in einem Vorprüfungstermin die Belange der Planbetroffenen besprochen werden. Eine solche Vorgehensweise ist dann empfehlenswert, wenn in sehr viele Gläubigerrechte über den Restrukturierungsplan eingegriffen werden soll oder aber Gläubiger betroffen sind, die unterschiedliche Interessen oder die ein solches Verfahren noch nicht durchlaufen haben.
Der Restrukturierungsplan, der vom Gericht bestätigt werden soll, durchläuft ein sogenanntes Bestätigungsverfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens werden die Voraussetzungen des Restrukturierungsplanes geprüft und es erfolgt auch die Beachtung des Minderheitenschutzes. Die Entscheidung des Gerichtes kann im Rahmen einer sofortigen Beschwerde, welche die Glaubhaftmachung einer Schlechterstellung durch den Restrukturierungsplan voraussetzt, von jedem Planbetroffenen angegriffen werden. Lediglich auf Antrag des beschwerten Gläubigers ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung der Beschwerde an, sofern Nachteile für den betroffenen Gläubiger nicht rückgängig gemacht werden können.
Für ein StaRUG-Verfahren ist die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten, vergleichbar der Funktion eines Sachwalters in einem Eigenverwaltungsverfahren, nicht zwingend notwendig. Das Gericht bestellt nur dann einen Restrukturierungsbeauftragten, wenn das Unternehmen einen entsprechenden Antrag stellt oder wenn im Rahmen der Restrukturierung in die Rechte von Kleingläubigern eingegriffen werden soll. Oder wenn sich Stabilisierungsanordnungen im Wesentlichen gegen alle Gläubiger des Unternehmens richten. Für die Position eines Restrukturierungsbeauftragten, der in jedem Fall eine natürliche Person sein muss, sind Erfahrungen in Restrukturierungssachen sowie die Qualifikation eines Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwaltes oder eine vergleichbare Ausbildung notwendig. Die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten erfolgt auf der Grundlage von Stundensätzen, die im Regelfall 350 EUR nicht übersteigen sollen. Ausnahmen sind im Einzelfall möglich.
Ebenfalls im StaRUG geregelt ist die sogenannte „Sanierungsmoderation“. Im Rahmen der Sanierungsmoderation bestellt das Gericht auf Antrag des Unternehmens eine sachkundige Person, die die Vergleichsregelungen des Unternehmens mit seinen Gläubigern moderieren soll. Der Sanierungsmoderator erhält Einblick in die Bücher des Unternehmens. Ein Sanierungsvergleich, der vom Sanierungsmoderator vermittelt wird, kann gerichtlich bestätigt werden. Im Rahmen der Sanierungsmoderation können keine Stabilisierungsmaßnahmen erlassen werden und der Sanierungsvergleich bedarf der Zustimmung aller Gläubiger.
Das StaRUG-Verfahren gewährt einem kriselnden Unternehmen viele Möglichkeiten, um sich zu sanieren. Maßgeblich ist hier aber die Qualifikation des Managements, das die Maßnahmen konsequent umsetzen muss. So verlangt das StaRUG von der Geschäftsführung des Unternehmens eine Überwachung der potentiellen Gefährdung der wirtschaftlichen Verfassung. Zwar war im Gesetzesentwurf geregelt, dass ab dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit ein „Shift of Fiduciary Interests“ zugunsten der Gläubiger eintreten sollte. Bei deren Missachtung war eine Haftung der Geschäftsführer vorgesehen, aber diese Regelung ist vom Gesetzgeber nicht übernommen worden. Gleichwohl ist zumindest dann von einer Haftung der Organe auszugehen, wenn sie bestandsgefährdende Beeinträchtigungen bei ihrer Geschäftsführungstätigkeit nicht beachten. Stellt sich zudem nach dem Antrag der Stabilisierungsanordnungen heraus, dass deren Anordnungsvoraussetzungen nicht vorhanden waren, so haftet die Geschäftsführung für die Schäden, die die betroffenen Gläubiger durch die Anordnung der Maßnahmen erleiden.
Nach wie vor ist es unerlässlich, dass der Geschäftsführer zu jedem Zeitpunkt umfassend die Situation des Unternehmens im Blick hat. Es ist eine Liquiditätsplanung für die nächsten 24 Monate zu erstellen und regelmäßig zu überprüfen. Verändert sich die Situation muss hierauf auch reagiert werden und die Planungen angepasst werden. Eine Sanierung kann nur gelingen, wenn man eine erreichbare Strategie erarbeitet hat und diese auch konsequent umsetzt. Alleine die Passivseite im Rahmen eines StaRUG Verfahren zu bereinigen reicht alleine meist nicht aus für eine nachhaltige Sanierung. Oftmals bedarf es einer umfassenden Restrukturierung im Operativen.
Neben der Vielzahl operativer Maßnahmen, deren Umsetzung den Turnaround ermöglichen, ist der Nachweis der Zahlungsfähigkeit mit Hilfe einer Liquiditätsplanung für die nächsten 24 Monate entscheidend.
Häufig ist dabei erforderlich, die Passivseite des Unternehmens neu zu strukturieren. Zum einen, weil bisherige Fremdkapitalgeber Forderungsverzichte aussprechen mussten und an der Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung nicht mehr interessiert sind, und zum anderen, weil die Bereitschaft von Fremdkapitalgebern, zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen während der Sanierung des Unternehmens nicht (mehr) vorhanden ist.
Neben neuen Gesellschaftern, die zusätzliches Eigenkapital einbringen können, sind auch Landesbürgschaften ein probates Mittel, um Fremdkapitalgeber zu entlasten bzw. zu unterstützen. Durch die Hereinnahme neuer Gesellschafter mindert sich allerdings der Einfluss der Altgesellschafter und bei Landesbürgschaften setzt der Risikoträger regelmäßig die Übernahme persönlicher Bürgschaften der Geschäftsführer oder Gesellschafter voraus.
Anders ist das bei Asset Lending Finanzierungsbausteinen. Hier stellt der Finanzierer ausschließlich auf die im Unternehmen vorhanden Werte ab. So eignen sich Gebäude und Maschinen für Sale and Lease Back. Auf Basis von Wertgutachten können stille Reserven zur Liquiditätsbeschaffung gehoben werden. Auch aus Handelsforderungen kann schnell zusätzliche Liquidität generiert werden, wenn man im Rahmen eines Factorings fortlaufend die Kundenforderungen an den Factor veräußert.
Neben der Finanzierung sichert sich das Unternehmen mit Factoring auch gegen Forderungsausfälle ab und spart Ressourcen ein, da die beim Factoring bereits inkludierte Übernahme von Debitorenmanagement und Mahnwesen nun nicht mehr selbst gestemmt werden muss.
Eva Sartorius: „Die A.B.S. Global Factoring AG ist ein verlässlicher Partner für Unternehmen in der Krise und als Restrukturierungsexperten setzen wir Lösungen schnell und unbürokratisch um. Zudem können wir als bankenunabhängiger Factoringanbieter unseren Geschäftspartnern größere Unabhängigkeit von den Banken verschaffen und so die Gewichte im Restrukturierungsprozess neu ordnen helfen.“
Nadja Raiß ist Rechtsanwältin bei der international tätigen Kanzlei K&L Gates. Sie ist seit über 15 Jahren im Bereich Restrukturierung und Insolvenzrecht tätig. Sie wird bei zahlreichen Gerichten als Insolvenzverwalterin bestellt und berät vorwiegend Unternehmen in Krisensituationen, hier insbesondere bei der Vorbereitung und Durchführung von Eigenverwaltungsverfahren. Mit Inkrafttreten des StaRUG ist Frau Raiß auch als Beraterin bei der Vorbereitung und Durchführung von StaRUG-Verfahren tätig.
Sehen Sie hier einen realen Beispielfall aus der Praxis:
Factoring in der Restrukturierung
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